Mit einem Brunch in den Tag starten

Wir sind noch ziemlich voll von dem großartigen Abendessen gestern und lassen es ruhig angehen. Markus nimmt erstmal ein Bad in unserer Badewanne – ja, wir haben erstmals auf unserer Kabine eine eigene Wanne, klein aber ausreichend. Der heutige Tag beginnt ziemlich bewölkt bei 13-16°C (that’s a first!) und das Bord-Programm ist gefüllt mit Vorträgen und Unterhaltung.
Gegen 9.30 Uhr gehen wir mal gemütlich zum Alaska Brunch im Dining Room. Das Essen ist sehr gut, Juli trinkt zum ersten Mal seit langem einen frisch gepressten Orangensaft, weil sie die eher mittelmäßigen Säfte leid ist. Markus bestellt sich einen Tomaten-Burrata-Salat und Juli nimmt einen Lachs-Kartoffel-Eintopf (Chowder) im Brotteig. Bis jetzt hat sie es jeden Tag geschafft, min. 1x Lachs in irgendeiner Form zu essen 😉
Our Home away from Home – eine schwimmende Stadt
Danach geht es gleich zu unserem ersten Info-Vortrag: Ein Blick hinter die Kulissen unseres Schiffes. Was dort nicht alles so passiert, wovon wir als Passagiere nichts mitbekommen. Entsprechend groß war das Interesse und die World Stage voll besetzt. Vom Maschinenraum über die Wäscherei, die Küche, die technischen Services (Internet) bis zur Kommandobrücke waren alle Departments mit Kurz-Interviews (tlw. sogar Live on stage) und Videoporträts vertreten. Zum Schluss wurde es nochmal emotional als unsere Cruise-Direktorin Stephanie ein altes Ehepaar würdigte, das mit diesem Schiff mit 12 weiteren Familienmitgliedern den letzten US-Staat auf ihrer Liste besuchen und dabei ihre neugefundene Liebe zueinander feiern.

Was wird an Bord denn so benötigt?
Die interessanteste Frage auf einer Kreuzfahrt ist wohl die Frage nach den benötigten Ressourcen für so viele Menschen – und hier vor allem die Frage nach den Lebensmitteln. Insgesamt lädt die Crew für 1 Woche Kreuzfahrt 90 Paletten Nahrungsmittel an Bord. Davon werden täglich:
- 1 Tonne Mehl
- 75 Pfund Karotten
- 70 Kilo Bananen
- 130 Kilo Hühnerfleisch
- 20 Kilo Kaffee
- 40 Kilo Tomaten
- usw.
verbraucht. Täglich! Die werden natürlich auch gelagert, zubereitet usw. Die exakte Vorhersage, was benötigt wird, kalkuliert man mittels der Herkunftsdaten der Passagiere, d.h. wenn 10% Inder an Bord sind, wird das Menü angepasst und auch die Lebensmittel. Wenn generell mehr muslimische Passagiere an Bord sind, wird das ebenso berücksichtigt, wie auch Nord- / Südgefälle – Tee, Kaffee, Getränke allgemein. Die Planungsleistung ist beachtlich.
Achja: Etwa 2000 Pfund Lachs wird in einer Woche auf der Nieuw Amsterdam benötigt. Aber der wird in nahezu jedem Hafen auf der Reise frisch eingekauft.
Und wo kommt das Wasser her?
Das Leitungswasser an Bord wird aus Meerwasser gewonnen – mit einem Osmosesystem und wird nach der Filtration noch mit Nährstoffen/Mineralien versehen, um es trinkbar zu machen. Für diesen Prozess nutzt man wie für sämtliche Heizprozesse (z.B. Warmwasser) die Abwärme der 4 Dieselgeneratoren, welche auch den (elektrischen) Schiffsantrieb versorgen. Ach – und zu guter Letzt – die beliebteste Frage der Kids: Am Schiff wird täglich ca. 21.000 Mal die Klospülung betätigt. Wegen des Vakuumsystems (ähnlich wie bei Flugzeugtoiletten) sind es jeweils nur 1l anstelle der üblichen 6l von “Land-WCs”, was immer noch beachtliche Mengen an Wasser nur für das tägliche Geschäft sind.
A history: 150 Jahre Holland America Line
Der zweite Vortrag des Tages nimmt uns mit in die 150-jährige Geschichte der Holland-America Line. Angefangen 1873 als Passagierschiffe für Immigranten, um den Atlantik nach Amerika zu durchqueren, durchlebte HAL eine spannende und auch turbulente Zeit in anderthalb Jahrzehnten: Zwei Weltkriege, mehrere wirtschaftliche Krisen (Prohibition), die Konkurrenz durch das Aufkommen von Linienflügen und in diesem Jahrhundert die Corona-Pandemie. Durch all diese Herausforderungen hat sich HAL immer wieder neu erfinden müssen und ist heute eine der erfolgreichsten Cruise Lines überhaupt.

Gerade die Zeit des zweiten Weltkriegs war sehr spannend für die Vorgängerin unserer Nieuw Amsterdam: aus einem Luxusschiff, das knapp 1.500 Passagiere über den Ozean transportiert, wurde innerhalb weniger Monate ein Truppentransportschiff, das zu Spitzenzeiten knapp 8.000 Militäreinheiten überschiffte. Dafür wurden alle Luxussachen (Möbel, Einrichtungen, etc.) in Singapur zwischengebunkert und das Schiff stahlgrau angemalt, um im Nebel insbesondere vor Ubooten und feindlichen Schiffen entkommen zu können. Die Überfahrten waren damals wohl deutlich abenteuerlicher, bspw. als der Kanal von England mit Minen übersät war und man nachts kein Licht am Schiff haben durfte. Als das Schiff 1946 wieder im Hafen von Rotterdam anlegte, wurde damit für viele das Ende des Krieges erst Realität. Entsprechend triumphal war der Empfang der Nieuw Amsterdam, die sichtbar einige Blessuren des Kriegseinsatzes davon getragen hatte. Der Rückbau auf ein Passagierschiff dauerte 13 Monate und kostete in etwa so viel, wie die ursprünglichen Herstellungskosten.
Der Lachs als Schlüsselart in Alaska
Am Nachmittag lauschen wir einem Vortrag unserer Rangerin Emryn zum Thema Lachse und deren Bedeutung für das Ökosystem in Alaska.
Sie nehmen eine Schlüsselrolle ein im Nährstoffzyklus vom Land zum Meer und wieder zurück. Für den kargen Boden wirken sie wie Dünger, denn sie liefern nach ihrem Ableben wertvollen Stickstoff für das Pflanzenwachstum und verhindern so indirekt die Erosion der eh schon geringen Erdschicht. Der Lachs steht auf dem Speiseplan vieler Tierarten in Alaska (Bären, Robben, Otter, etc.) und ist auch Lebensgrundlage für die indigene Bevölkerung. Auch für die regionale Fischerei ist der Lachs das wahrscheinlich wichtigste Export-Produkt.

Ein paar kuriose, aber interessante Fakten über Lachse haben wir uns auch gemerkt:
- Die Lachse finden dank ihres unglaublich guten Geruchssinns zurück zu ihrem Geburtsort.
- Vor allem die Lachs-Männchen verfärben sich während der Lachswanderung teilweise leuchtend rot und werden buckelig – was in der Natur nicht alles als attraktiv gilt 🙂
- Der Lebenszyklus eines Lachses besteht aus zwei sogenannten anadromen Wanderungen: einmal vom Süßwasser ins Salzwasser der Ozeane, wo sie erwachsen und geschlechtsreif werden – und wieder zurück ins Süßwasser – um Eier zu legen bzw. zu befruchten und Tage oder spätestens Wochen danach zu sterben.
Emryn weißt uns noch darauf hin, dass der Mensch die größte Bedrohung für den Lachs darstellt. Aufgrund der immensen Bedeutung für das Leben in Alaska werden strikte (notwendige) Kontrollen der Lachsbestände übers Jahr durchgeführt, damit keine Art gefährdet und überfischt wird. Die Lachsleitern (in Kecthikan und Skagway) und die Lachsaufzuchtstationen (in Juneau werden jährlich zwischen 20 und 30 Mio. Lachse ausgewildert), sind ein Beitrag des Menschen, um den Art(en)bestand zu unterstützen und stabil zu halten. Diese künstlichen Eingriffe bergen immer das Risiko von Krankheiten, besonders bei Problemen in den Zuchtstationen (Genpool). Es ist ein Geben und ein Nehmen und bei Weitem noch nicht ideal, aber es hinterlässt zumindest bei uns ein Gefühl, dass sich das Land seiner Verantwortung gegenüber diesen Tieren bewusst ist.
Das College Fjord
Okay, den Tag haben wir bisher Großteils drinnen verbracht, weil es draußen nicht wirklich sonnig war oder etwas spannendes zu sehen gab – bis wir am Nachmittag in Richtung College Fjord einbiegen. Der Fjord besteht aus fünf Gezeitengletschern, fünf großen Talgletscher und dutzende kleinere Gletscher. Die wichtigsten sind nach den Alma Matern der Entdecker benannt – darum der Name College Fjord.
Die Landschaft ist atemberaubend, die Gletscher hier teilen eine Eigenschaft mit den anderen – man kann ihre wahre Größe erst einschätzen, wenn man wenige hundert Meter davor steht – und selbst dann wirkt es irgendwie surreal… Also fährt uns der Captain bis auf 400m an den großen Harvard Glacier heran und plötzlich können wir uns 60-90m Höhe und über 2km Breite etwas besser vorstellen. Hier sehen wir endlich das berühmte Kalben eines Gletschers, sprich das Abbrechen größerer Eismassen ins Meer – ohne Ankündigung natürlich, sodass wir keine Chance haben das wirklich auf Bild aufzunehmen – aber umso beeindruckender, dass trotz der Nähe zum Gletscher das Donnern über 1 Sekunde zu uns benötigt. Das absolute Highlight für Markus ist das Knacken im Gletscher – das unregelmäßig auftretende Krachen im ewigen Eis, was in tiefen Bässen wahrnehmbar ist. Unser Schifft pendelt eine ganze Stunde vor der Gletscherfront hin und her, sodass alle Passagiere genug Zeit haben, diesen unvergesslichen Anblick einzufangen. Wir wechseln vom Bug Deck 5 auf das seitliche Deck 10 als das Schiff dreht. Als die Sonne sich entschließt, den Gletscher mit ihren Sonnenstrahlen zu küssen, ist der absoluter Traummoment für uns perfekt. Wir können gar nicht in Worte fassen, wie uns dieser Anblick beeindruckt hat und wie dankbar wir sind, dass wir dieses Naturschauspiel aus nächster Nähe erleben durften.











Hubbard Glacier – der schlafende Gigant
Auf unserer Rückreise am 18. August wählt unser Captain eine etwas andere Route als bei der Hinfahrt und führt uns zum Hubbard Glacier – dem größten Gezeitengletscher in ganz Nordamerika. Seine Maße sind wirklich beeindruckend: insgesamt 120km lang, 14 km breit und das Eis ist an der massivsten Stelle 420m dick. An seiner Front, wo er ins Wasser geleitet, ist er 107m hoch und unter Wasser nochmals 76m tief. Und er war auch recht aktiv in den letzten 30 Jahren: Zweimal hat er seine Fließgeschwindigkeit unvorhersehbar erhöht und damit gefährliche Hochwasser in der gegenüberliegenden Stadt Yakutat verursacht. Aktuell fließt er wieder stabil und langsam, aber er kalbt verhältnismäßig oft. Darum war es für unser Schiff nur möglich auf 2km ranzufahren.

Abend mit dem Piano Man
Nach diesem vollen Tagesprogramm beenden wir den Tag genauso gemütlich wie wir ihn begonnen haben k:leine Vorspeise und Hauptspeise im Dining Room gefolgt von ein paar Stunden Live Musik mit Austin Turner. In der letzten Stunde ist “All Requests”, d.h. er spielt nahezu alles, was wir ihm auf den Wunschzetteln hinterlassen. Mal sehen wie viele ich noch zusammenbekomme:
- Ein Disney Lied (Austin wählt Die Schöne und das Biest)
- Michael Jackson, Heal the World
- Donny Osmond (Mulan Soundtrack), Make a Man out of you
- Tracy Chapman, Fast Cars
- John Lennon, Imagine
- Dire Straits, Sultans of Swing
- Elton John, Your Song
- Queen, Under Pressure
- Aerosmith, Dream On
- Journey, Don’t stop believing
- und ein würdiger Abschluss mit: Billy Joel, Piano Man

Für den Großteil der Passagiere war es der letzte Abend an Bord, denn viele reisen morgen weiter in die Denali Lodge, eine Resortanlage der HAL mitten in der Wildnis, von wo aus man Ausflüge in den Yukon machen kann. Oder für manche ist der Urlaub schon zu Ende und sie fliegen morgen von Anchorage wieder nach Hause. Darum waren wir nur eine kleine Crowd an diesem Abend (die meisten waren am Zimmer und haben gepackt), aber wir haben es trotzdem oder gerade deswegen sehr genossen.